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DR. MED. ROBERT WUNDERLICH M.SC. DM

Assistenzarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätskrankenhaus Tübingen und Gründer der NGO “Schenke eine Ziege”

Auslandsaufenthalte: Benin, Äthiopien, Uganda, Ruanda, Tansania

BVMD: Können Sie uns mehr über Ihre Arbeit und Ihr ehrenamtliches Engagement erzählen?

 

Dr. Wunderlich: Aktuell bin ich im 6. Jahr meiner Ausbildung zum Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin an der Universität Tübingen und arbeite auf der Intensivstation. Ich mache des Weiteren eine Weiterbildung zum Notfallmediziner, im Rahmen derer ich regelmäßig an Notarzteinsätzen beteiligt bin.

Neben meiner klinischen Tätigkeit bin ich in der Lehre tätig. Ich unterrichte Notfall- und Reanimationskurse und habe an der Entwicklung eines Wahlfachs in Katastrophenmedizin und humanitärer Hilfe viel mitgewirkt. Ich selber habe einen Masterstudiengang in Katastrophenmedizin an der Universität von Eastern Piemont in Italien und der Freien Universität Brüssel sowie eine Ausbildung in Reisemedizin absolviert. Das Wahlfach wird nun seit Februar 2018 an der Universität Tübingen angeboten und hat sehr viel Erfolg. 

 

Des Weiteren kümmere ich mich aus der Ferne um die Entwicklungsorganisation „Schenke eine Ziege“, die ich im Jahr 2006 in Uganda gegründet habe. Dazu gehört viel Öffentlichkeitsarbeit, die Beantragung von Entwicklungsgeldern, was mit einem großen bürokratischen Aufwand einhergeht.

 

BVMD: Waren Sie seit Absolvierung Ihres Masterabschlusses in Katastrophenmedizin schon einmal im Einsatz? Wie ist es mit Ihrer klinischen Tätigkeit vereinbar?

 

Dr. Wunderlich: Seit meinem Abschluss bin ich Teil des FAST (First Assistance Samaritan Team) beim ASB (Arbeiter-Samariter-Bund), welcher an weltweiten Katastropheneinsätzen beteiligt ist. Leider war ich bis jetzt noch nie mit dieser Organisation im Einsatz. Die ärztliche Leitung meines Arbeitsplatzes an der Universitätsklinik Tübingen sowie meine Kollegen sind sehr unterstützend, ohne diesen Umstand wäre es in der Tat nicht möglich, kurzfristig meinen Arbeitsplatz für einige Wochen zu verlassen. Es ist jedes Mal eine Teamentscheidung und je nach Zeitpunkt auch manchmal nicht möglich. 

 

BVMD: Sie sind Gründer der Organisation „Schenke eine Ziege“. Können Sie uns mehr über Ihre Organisation erzählen?

 

Dr. Wunderlich: Ursprünglich war die Idee in Kasese (West-Uganda) eine Ziegenfarm aufzubauen und einer Auswahl bedürftiger Familien nach dem Besuch einer Serie von Workshops über z. B. HIV-Prävention, Hygiene, Landwirtschaft, Viehzucht, Gleichstellung von Mann und Frau u. Ä. eine Ziege zu schenken. Erklärtes Ziel ist es, über die Ziegenmilch Proteinmangelerscheinungen bei Kindern vorzubeugen und die Möglichkeit, Einkommen durch den Verkauf von Milch oder den Aufbau einer Ziegenzucht zu generieren. 

Das Projekt hatte Erfolg; als Erstes kam ein Mikrokreditprogramm hinzu, gefolgt von einem Lernzentrum mit der Möglichkeit, den Grundschulabschluss nachzuholen, der Installation einer Solaranlage, eines eigenen Brunnens und zuletzt dem Bau eines Gesundheitszentrums mit 18 Betten, welches von einheimischen ÄrztInnen und PflegerInnen betrieben wird. 

Aktuell beschäftigt die Organisation 35 Einheimische und einige ehrenamtliche MitarbeiterInnen. 

 

BVMD: Das ist sehr beeindruckend. Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie so jung die Organisation gründeten? 

 

Dr. Wunderlich: 2005 reiste ich nach dem Abitur mit einer Freundin nach Uganda, wir wollten die „Welt retten“. Wir arbeiteten als Ehrenamtliche in der Mbuye Farm School, unterrichteten Englisch und leiteten einen Gesundheitsclub. Die Schule war bereits gut entwickelt, sodass wir uns wenig nützlich fühlten. Der Schulleiter erzählte uns dann über sein Heimatdorf in Süd-West-Uganda, wo es weder eine Schule noch einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen gab.  Da war unser Interesse geweckt und wir reisten dorthin, setzten uns mit 20 Familien aus dem Dorf zusammen und versuchten, einen Einblick über ihre Bedürfnisse zu bekommen. 

 

BVMD: Wie erlernten Sie die Fähigkeiten eine solche Organisation zu gründen und zu leiten?

 

Dr. Wunderlich: Ich war vorher schon sehr in Jugendarbeit involviert, gründete einen Judoverein und organisierte größere Veranstaltungen mit. Den Rest habe ich on the spot gelernt! Wichtig ist, sich gut zu vernetzen Letztendlich hatten wir viel Unterstützung von Fachpersonen wie ArchitektInnen oder IngenieurInnen.

 

BVMD: Was waren die Schlüssel Ihres Erfolgs?

 

Dr. Wunderlich: Gute Frage.  Ich denke, es ist für jedes Projekt wichtig, die Zielgruppe in den Mittelpunkt zu stellen. Wir haben sehr eng mit der Bevölkerung gearbeitet und versucht, uns an ihren Bedürfnissen zu orientieren. 

Essentiell ist dann auch der Aufbau eines Netzwerks. Anfangs habe ich viel Unterstützung von Freunden und Familie bekommen, was sich dann nach und nach durch Öffentlichkeitsarbeit erweitert hat. Und um dieses Netzwerk an HelferInnen langfristig aufrecht zu erhalten, muss die Arbeit Spaß machen. Das ist mindestens genauso essentiell!

 

Bei Ihrem Projekt handelt es sich um eine lokale Initiative. Ist es nicht effektiver, auf politscher Ebene aktiv zu sein, um mehr Menschen zu erreichen?

 

Dr. Wunderlich: Unsere Arbeit ist auch politisch. Viele Studierende sind in der Organisation involviert und das Projekt hat verschiedene Ebenen, sowohl in der Landwirtschaft als auch im sozialen Bereich mit der Schule und dem Gesundheitszentrum. Wir waren in der lokalen Politik sehr eingebunden. Von unten nach oben sind die errungenen Fortschritte vielleicht nachhaltiger. Ich bin der Überzeugung, dass man beides braucht!

 

BVMD: Welche Herausforderungen mussten Sie sich in Ihrem beruflichen oder persönlichen Leben stellen? 

 

Dr. Wunderlich: Sehr viele unterschiedliche. Wenn andere in den Urlaub gehen, gehe ich nach Uganda. Auch für meine Freunde und meine Familie ist es nicht unbedingt immer einfach, wenn die Prioritäten von Zeit zu Zeit woanders als bei ihnen liegen. Und das alles neben einem Vollzeitjob zu machen ist auch eine körperliche Anstrengung. Bewältigen kann man das alles nur mit einem strikten Zeitmanagement, Zuspruch und Unterstützung und wenn man vor Ort von den Erfolgen zehren kann, die unsere Organisation erreicht hat. Das gibt einem die notwendige Kraft. 

 

BVMD: Was war Ihre Motivation und Inspiration, sich in diese Richtung zu engagieren?

 

Dr. Wunderlich: Das frage ich mich auch häufig. Warum mache ich das überhaupt? Es bedeutet viel Verantwortung und zusätzliche Arbeit, wo ich eigentlich ein entspanntes Leben führen könnte. Aber bedürftigen Menschen zu helfen und sehen, dass man tatsächlich etwas bewegen kann, das ist jede Mühe wert.

 

BVMD: Haben Sie noch andere Auslandserfahrungen gemacht?

 

Dr. Wunderlich: Seit 2006 war ich insgesamt 10 Mal in Uganda, absolvierte dort eine Famulatur und ein PJ-Tertial. Da blieb mir in der Tat nicht mehr viel Zeit, anderswo ins Ausland zu reisen. Dennoch war ich als Student mit Humedica, einer Hilfsorganisation, die bei Katastropheneinsätzen beteiligt ist, einmal in Benin und Äthiopien und habe dort vor Ort an Katastropheneinsätzen teilgenommen bzw. sie geleitet und eine Krankenstation auf der somalischen Grenze aufgebaut. Diese besteht bis heute und versorgt 150 000 Menschen.  

 

BVMD: Wenn man Ihnen ein bezahltes freies Jahr schenken würde, was würden Sie tun?

 

Dr. Wunderlich: Ich würde durch die Welt reisen fern von jeder Verantwortung und Verpflichtung. Ich habe in den letzten Jahren so viel Zeit in Ostafrika verbracht, dass es mich reizt, andere Länder und Kontinente zu entdecken. 

 

BVMD: Welche Ratschläge haben Sie an MedizinstudentInnen, die sich in diesem Bereich engagieren möchten?

 

Dr. Wunderlich: Das breite Angebot während des Studiums zu nutzen! Die BVMD sowie die IFMSA bieten viele Möglichkeiten, sich zu engagieren.  Es gibt auch weitere Organisationen, wo man bereits im Studium beitreten kann. Dies kann das Rote Kreuz, der ASB, Johanniter, Malteser oder auch kleinere wie Humedica oder Landsaid sein. Man sollte jedoch dabei darauf achten, ob sie internationale Standards erfüllen.

 

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