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DR. MARTINA KLOEPFER

Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende des Instituts für Gender-Gesundheit

Auslandsaufenthalte: USA, Italien

Wie würden Sie sich in drei Worten beschreiben?

Interessiert, beharrlich und zugewandt.

 

Was haben Sie sich als Student*in vorgestellt, was Sie später machen werden/ wie Sie später arbeiten werden? 

Ich habe zuallererst Biochemie studiert, dort habe ich mir vorgestellt, später in der medizinischen Forschung tätig zu sein. Mein Ziel war, wie bei vielen jungen Menschen, die Welt zu verbessern. 

Damals hatte man in der Forschung damit begonnen, das menschliche Genom zu entschlüsseln und wir haben im Labor davon geträumt, Menschen per „Gentechnik“ (das Wort war zu der Zeit noch unbekannt) zu helfen. Einer der Träume war,  verlorene oder amputierte Gliedmaßen wieder nachwachsen lassen zu können. Einen Beitrag zu Heilung und Verbesserung zu leisten, ist etwas, dass mich bis heute noch interessiert.

 

Wie lässt sich Ihre aktuelle Tätigkeit beschreiben? Welche Aufgaben haben Sie?

Ich bin Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende des Instituts für Gender-Gesundheit, das aus dem Bundeskongress Gender-Gesundheit hervorgegangen ist. Der Kongress hat von 2013 bis 2016 an prominenter Stelle in Berlin stattgefunden und hatte zum Ziel, das Thema einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen – außerhalb der Fachkreise – und auch in der Agenda des gesundheitspolitischen Berlins zu verankern. In den letzten Jahren hatten wir Gelegenheit beim BMC-Kongress, dem Bundeskongress Managed Care, mit einzelnen Slots die Aufmerksamkeit auf geschlechtersensible Fragen zu lenken. 2019 lag der Fokus auf Alter und Gesundheit; Männer und Frauen hören ja nicht auf Männer und Frauen zu sein, auch wenn sie alt werden. 2021 sind wir der Frage nach einem Geschlechter-Bias bei Künstlicher Intelligenz nachgegangen. Seit 2013 gibt es auch einen e-Mail-Newsletter zu dem Thema. Neben den medizinischen und soziokulturellen Aspekten, die zur geschlechtersensiblen Medizin gehören, beleuchten wir auch Strukturen, die z.B. in Universitäten, aber auch Kliniken die Grundlage von Forschung bilden. Eine geschlechterparitätische Besetzung von Führungspositionen spielt hier keine ganz unerhebliche Rolle.

 

Woran liegt es, dass Gender-Medizin so wenig Aufmerksamkeit erfährt?

In Deutschland geht die Entwicklung nur zögerlich voran – im Vergleich zu anderen Ländern, wie z.B. Östereich. Hier kann man als Mediziner bzw. Medizinerin ein Diplom in Gender Medicine bei der österreichischen Ärztekammer erwerben. Das geht in Deutschland noch nicht. Auch in der Approbationsordnung war Gender-Medizinisches Wissen noch zu wenig abgebildet. Erst, wenn dieses Wissen auch in den Regelstudiengängen prüfungsrelevant ist, wird es selbstverständlicher in die Versorgung einfließen. Hier unterscheiden sich auch die Fachgesellschaften, die Behandlungsleitlinien festlegen; je nachdem, wie die Vorstandsebene aufgestellt ist, desto mehr Zeit braucht es, damit eine geschlechtersensible Sichtweise ankommt. In vielen Entscheidungsgremien und Fachgesellschaften finden sich noch überwiegend Männer. 

 

Auf welchen (Um-)Wegen sind Sie zu dieser Position gekommen?

Nachdem ich Biochemie und Geisteswissenschaften studiert habe, bin ich durch meine Tätigkeit, Menschen für öffentliche Auftritte vorzubereiten, in Kontakt mit der Berliner Gesundheitspolitik gekommen.  Im Zuge dessen wurde ich auf Veranstaltungen eingeladen, unter anderem zum Thema Gender-Medizin und habe dort hervorragende Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen gehört. 

Mein Ziel war es, dass das Thema Gender und Gesundheit mehr Aufmerksamkeit bekommt und der breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, sodass ich 2013 den Bundeskongress Gender ins Leben rief, der bisher vier Mal stattgefunden hat. Mit dem Institut für Gender-Gesundheit führe ich das Ziel weiter und organisiere Veranstaltungen und sorge für Informationsverbreitung. 

 

Welchen Stellenwert sollte Globale Gesundheit in der Ausbildung angehender Mediziner*innen einnehmen? Welche Bedeutung schreiben Sie dem Thema auch in Zukunft zu?

Meine Idealvorstellung wäre es, dass angehende Mediziner*innen umfassender ausgebildet werden und Gender-Medizin ein selbstverständlicher Teil des Curriculums würde. Man weiß, dass bei koronaren Herzerkrankungen Frauen unterversorgt sind und auf bestimmte Untersuchungen und Therapieverfahren nicht ansprechen. Frauen können beispielsweise bei Herzinfarkten andere Symptome aufweisen als Männer und kommunizieren diese auch anders. Bei Depressionen ist es umgekehrt: Die gelernte Symptomatik ist auf Frauen ausgerichtet, bei Männern kann es komplett andere Erscheinungsbilder geben. Diese unterschiedliche Symptomatik und die allgemein, oft noch fehlende Akzeptanz gerade psychischer Erkrankungen bei Männern sind Gründe, warum Männer bei dieser Indikation eher unterdiagnostiziert sind.

Wenn ich mir etwas wünschen könnte: Eine geschlechtersensible Herangehensweise bei all jenen Indikationen, die Männer und Frauen betreffen können! Bis in die Enzymzusammensetzung der Leber gibt es Geschlechterunterschiede.

 

Was schätzen Sie am meisten an Ihrer Arbeit? Worauf könnten Sie verzichten?

An meiner Arbeit schätze ich am allermeisten, dass ich immer wieder Neues lerne und selber an den Erkenntnissen teilhaben kann. Das macht sehr viel Freude!

Worauf ich verzichten kann, ist, dass es immer noch Menschen und Ärzt*innen gibt, die meinen, dass Gender-Medizin kein ernst zu nehmendes Thema ist. 

 

Welche Herausforderungen mussten Sie sich in Ihrem beruflichen oder persönlichen Leben stellen? Wie haben sie diese überwunden? 

Zu Beginn meines Studiums wurde uns Frauen vermittelt, dass aus uns nichts Besseres werden würde, als (bio)chemische Assistentinnen, obwohl wir genau mit den gleichen Voraussetzungen und Anforderungen im Studium konfrontiert wurden. 

Häufig herrschte auch die Schwierigkeit, sich gegen Vorurteile gegenüber Gender-Gesundheit durchzusetzen, z.B. beim Bundeskongress. Es herrscht das Klischee, dass Männer in der Gender-Medizin keinen Platz haben. Es wurde von Frauen initiiert, weil sie sozusagen zuerst darauf gekommen sind, dass sich ein weiblicher von einem männlichen Körper in vieler Hinsicht unterscheidet. Hier war Marianne Legato aus den USA federführend, die den Unterschied zwischen einem männlichen und einem weiblichen Herzinfarkt beobachtet hat. Es ist mir jedoch sehr wichtig, immer wieder zu betonen, dass Gender-Medizin beide Geschlechter im Blick hat. 

 

Wenn Sie zurückblicken, gibt es etwas was Sie anders gemacht hätten?

Mit dem heutigen Wissen hätte ich vielleicht mein naturwissenschaftliches Studium mit einem Diplom oder einer Promotion abgeschlossen. Die Situation und die allgemeinen Konditionen waren vor einigen Jahrzehnten noch sehr anders.

Heute gibt es verschiedene Möglichkeiten des Mentorings; das Wort gab es damals noch nicht einmal im Kontext einer begleitenden Unterstützung von Studentinnen oder auch Studenten. Ich denke, das hätte mir viel geholfen.

 

An welchen Vorbildern orientieren Sie sich? 

Das ist ein großes Thema! Allgemein sollte man sich für Vorbilder*innen für junge Frauen kümmern. Mein Vorbild war damals schon lange tot: Marie Curie. Es gab für uns Mädchen und Frauen einfach kaum weibliche Vorbilder im Bereich der Naturwissenschaft, die auch öffentlich in Erscheinung traten. In männlicher Form Christiaan Barnard, der das erste Herz verpflanzt hat.

Frauen sollen sichtbarer sein, dazu gehört Mut. Wenn man allen Mut zusammennimmt, dann wird man/frau sichtbar. In dem Moment, in dem Frauen öffentlich werden, ergeben sich Vorbilder, wie sich an dem Nobelpreis für Medizin 2020 gezeigt hat.

 

Welche Eigenschaft schätzen Sie an sich am meisten?

Eine gewisse Sorgsamkeit und Gründlichkeit, obwohl das auch zum Verhängnis werden kann. Und Umsichtigkeit.

 

Wenn man Ihnen ein bezahltes freies Jahr schenken würde, was würden Sie tun?

Bei dieser Frage bin ich kläglich gescheitert! Ich kann mir das gar nicht vorstellen!

Ich würde tatsächlich versuchen, alle wissenschaftlichen Artikel, die mich interessieren, durchzuarbeiten. Außerdem würde ich mich stärker im gesundheitspolitischen Bereich engagieren. 

 

Welche Ratschläge haben Sie für Studierende, die sich in diesem Bereich engagieren möchten?

Wer sich im Bereich Gender-Medizin engagieren möchte, sollte schauen, ob es an den Fakultäten Veranstaltungen oder Seminare gibt, bei denen man sich weiterbilden kann. Auch die Deutsche Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin bietet immer wieder Weiterbildungen an (www.dgesgm.de). Zusätzlich gibt es viele Publikationen, die fundiert und interessant sind. Wir hoffen, dass es in der Ausbildung auch wirklich integriert wird, es gibt mittlerweile Programme und neue Institute, die aufgebaut werden. Manchmal hilft aber nur das Ausland. 


Dr. Martina Kloepfer.Kurzvita

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