New Year – New Me?

Frohes Neues Jahr! हैप्पी न्यू ईयर! Mutlu Yıllar! 新年快乐!Happy New Year! Bonne année! З Новим роком! 

Ich hoffe, ihr hattet schöne Feiertage mit Gaumenschmaus und Glühwein bis die Ärztin kommt. Falls Du zwischen den Jahren Dienst hattest, hast Du hoffentlich reichlich Mitleid und Süßkram von Patient*innen und ihren Angehörigen bekommen.

Im besten Sinne des “New Year – New Me”-Wahns haben wir auch diesen Newsletter geupdatet. Wir treten ab heute in leicht gekürztem Line-Up und lockerem Schreibstil auf. Wir haben den Jahreswechsel genutzt, um, wie Ebenezer Scrooge, in Kontakt mit den drei Geistern der vergangenen, diesjährigen und zukünftigen “Globalisation and Health Initiative” zu treten und den Spaß an globaler Gesundheit wieder neu zu entdecken. Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen (beim Schreiben hatten wir ihn auf jeden Fall!). 

Wir zählen seit wenigen Stunden das Jahr 2023 und bei mir persönlich verschiebt sich der Blutalkoholspiegel langsam wieder in den Normalzustand, was leider bedeutet, dass mit dem Sekt auch die Euphorie fürs neue Jahr in meiner Leber zersetzt wird. Langsam holen mich, wie bestimmt einige unter euch, die gewohnten Sorgen und Zwangsgedanken wieder ein: Prüfungen stehen an, die Doktorarbeit möchte abgestaubt werden, der 100 Tage-Lernplan klopft an die Tür, und Krieg und Klimakrise lasten schwer auf den Knochen. Noch dazu habe ich mir dieses Jahr den ehrgeizigen Vorsatz genommen, mich wieder mehr auf’s Studium zu konzentrieren, das Ding endlich zu Ende zu bringen und fit ins PJ zu starten. Na, ob das wohl klappt? 

Bevor es inhaltlich losgeht, würde mich noch interessieren: Was habt ihr an Silvester gemacht und habt ihr Vorsätze für 2023? Schreibt uns gerne eine Mail an gandhi@bvmd.de, wir teilen eine Auswahl der Antworten dann anonym im nächsten Newsletter.

(Noch ein kurzer Disclaimer: Das ist ein Newsletter von Studis für Studis. Falls ihr Fehler entdeckt oder etwas Wichtiges zu ergänzen habt, bitten wir um Verständnis. Schreibt uns dann gerne eine Mail und lasst es uns wissen. Vielen Dank!)

Biodiversität und Gesundheit

Vom 7. bis 19. Dezember fand die CBD COP-15 in Montreal statt. Diese Weltkonferenz beschäftigte sich, wahrscheinlich zur Enttäuschung einiger Leser*innen, nicht mit der Legalisierung gewisser CBD-haltiger Pflanzen, sondern mit Biodiversität. Die Convention on Biological Diversity ließ aber nicht nur weltweit die Herzen naturverbundener Biologie-Cracks und Groupies von Sir David Attenborough schneller schlagen, sondern veranlasste auch diverse Player der Global Health Szene dazu große Appelle in die Welt zu entsenden, denn Biodiversität und Gesundheit liegen tatsächlich nicht weit voneinander entfernt.

Der gemeinsame Nenner der beiden Fächer ist erst mal nicht ganz offensichtlich, aber mit den folgenden zwei Beispielen sollte es schon etwas klarer werden: 1) Hunger und Mangelernährung aufgrund von Ernteausfällen, und 2) neue bzw. sich weiter ausbreitende Infektionskrankheiten wegen der immer intimer werden Beziehung zwischen Mensch und Tier. Vielleicht klingeln bei einigen von euch schon die à la Pawlow konditionierten Alarmglocken, denn Hunger und Infektionskrankheiten lösen bei vielen von uns Gen Zs den gleichen Gedanken aus – Klimakrise. Wer noch nicht ganz folgen kann und wem noch fragend der Speichel im Mund zusammen läuft, bekommt noch mal eine kurze Recap der aktuellen Datenlage (freundlicherweise recherchiert vom BMUV):

  • Fast 50% aller zugelassenen Medikamente in Deutschland werden aus Pflanzenmaterial gewonnen und der weltweite Handel mit Medikamenten auf pflanzlicher Basis beläuft sich auf jährlich ca. 500 Milliarden USD.
  • Jährlich wird eine Waldfläche von 13 Millionen Hektar – das ist die dreifache Größe der Schweiz – zerstört.
  • 3/4 der Landoberfläche und 2/3 der Meeresfläche auf der Erde gelten als “stark verändert” und über 85% der Feuchtgebiete (jaja, werd erwachsen) sind verloren gegangen. 
  • Gemäß der FAO sind ein Viertel aller Meeresfischbestände gefährdet; bei diesem Trend wird im Jahr 2050 keine kommerzielle Fischerei mehr möglich sein.
  • Ein Temperaturanstieg von 2°C führt zur Gefährdung von 20-30% der Arten weltweit.
  • Etwa 70% der menschlichen Infektionserreger stammen ursprünglich aus dem Tierreich (sogenannte Zoonosen): Darunter auch HIV, Ebola, Influenza, MERS und SARS.

Kurzes Zwischenfazit: Das hört sich alles nicht so gut an für uns. Und bei der Suche nach den Schuldigen müssen wir gar nicht weit schauen. Wir sind nur einen Finger-Nase-Versuch von der Nase der Verantwortlichen entfernt. Unser unstillbarer Hunger nach Fleisch und Wachstum hinterlässt gravierende Spuren in der Natur. Waldrodung, Massentierhaltung, Megastädte und die Ausbeutung der Böden und Meere zerstören Ökosysteme und drängen Natur und Wildtiere in die Enge. Unser neoliberales, kapitalistisches, egozentrisches Weltverständnis führt zu nicht weniger als massivem Artensterben und damit auch zur existenziellen Bedrohung der Art “Mensch”. Kurz gesagt: Kaputter Planet führt zu kranken Menschen.

Wer jetzt an Weltuntergang und postapokalyptische Hollywood Dramen denkt, soll getröstet werden. Ganz so düster, wie es Will Smith bei “I am Legend” (R.I.P. Sam :'( ) erlebt, sieht es noch nicht aus. Die WHO arbeitet in dieser Sekunde an einer interinstitutionellen Verbindungsgruppe für Biodiversität und Gesundheit, um die Wechselwirkung der beiden Gebiete spezifischer zu adressieren. Dieses Vorhaben ist ein gutes Beispiel für die interdisziplinäre und multisektorale Umsetzung des One Health Ansatzes (der Gesundheit im Zusammenhang zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und ihrer gemeinsamen Umwelt betrachtet). Ganz nach dem Konzept health-in-all-policies soll Gesundheit in allen Themenfeldern des öffentlichen Handelns mitgedacht werden. Das heißt so viel wie, dass beispielsweise alle Politiker*innen die gesundheitlichen Folgen ihrer Entscheidungen mitdenken müssen und so jede*r auch zur*m Gesundheitspolitiker*in wird. Zum Schluss noch zwei, drei weitere mutmachende Facts dazu: Im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel kommt der Schutz der biologischen Vielfalt nicht zu kurz und der liebe Olaf Scholz hat uns schon jetzt 1,5 Milliarden Euro jährlich ab 2025 für den intenationalen Biodiversitätsschutz versprochen. Und bei der CBD COP 15 wurde beschlossen mindestens 30% der weltweiten Land- und Meeresfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen, sowie Länder des “globalen Südens” bei der Umsetzung dieses Vorhabens jährlich bis 2025 mit 20 Milliarden und bis 2030 mit jährlich 30 Milliarden USD zu unterstützen.

Wer noch nicht genug hat, findet hier und hier noch detailliertere und hübscher aufbereitete Informationen zur COP15, hier die Ergebnisse in kurzer Zusammenfassung vom BMUV, und hier und hier mehr zum Thema Biodiversität und Gesundheit.