Reflexionen zum World Health Summit in Berlin 2023

Das assoziierte Youth Side Program fand vom 12.-14.10., die Konferenz selbst vom 15.-17.10.2023 statt.

©World Health Summit 2023: Jugenddeligierte auf dem World Health Summit
Einführung

Der World Health Summit (WHS) ist weltweit eine der größten internationalen Konferenzen zum Thema Global Health. Von den Teilnehmenden wird er in erster Linie als Austauschplattform und zum Netzwerken genutzt. Mehrere GandHI-Mitglieder haben schon im letzten Jahr den WHS besucht. In diesem Jahr nahm ich als einer von 30 Delegierten des Youth Side Programms an diesem Event
teil (dazu unten mehr).

Zur Geschichte des WHS und der Konferenz 2023

Historie: Gründung 2009, während der Feierlichkeiten des 300. Geburtstags der Charité (Berlin) Teilnehmerzahlen in diesem Jahr:

  • >12.000 Teilnehmende online
  • – >3000 Menschen unterschiedlichster Profession waren vor Ort: Forschende, Politikerinnen, Unternehmerinnen u.v.m.
  • Über 370 Sprecherinnen informierten und diskutierten.
  • >100 Young Professionals (unter 35 Jahren) unterschiedlichster Interessengruppen nahmen teil: u.a. von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd), der European Medical Student Association (EMSA) oder der International Federation of Medical Students Associations (IFMSA)
Das Youth Side Program bringt junge Menschen zusammen und bildet diese in Advocacy aus

Die bvmd hat 2023 zum zweiten Mal das Youth Side Program (YSP) organisiert. Hier kommen 30 Young Professionals (Studierende und Berufstätige, Altersgrenze 27 Jahre) zusammen, um Neues über Global Health zu lernen, eigene Erfahrungen auszutauschen und persönliche und interpersonelle Skills in Advocacy (siehe Box) zu trainieren. Konkret gab es Impulse zu internationaler Gesundheitspolitik (auch: Global Health Governance), Gespräche zu Karrieremöglichkeiten in Global Health, wie bei der WHO und Workshops zu den Methoden der Advocacy: Kommunikation und Kampagnen. Dazwischen diskutierten wir in Themengruppen, wie Mental Health, Planetary Healt oder Digitalisierung und überlegten uns eine Strategie für den WHS. Wir kreierten unser themenspezifisches Programm, entwickelten Fragen und recherchierten Expertinnen, mit denen wir auf dem WHS sprechen wollten.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte hatte der WHS in diesem Jahr?

Unter dem Motto “A Defining Year For Global Health Action” waren zentrale Themen unter anderem:

  • Lernen aus der Covid-19 Pandemie für zukünftige Pandemien
  • Gesundheitsgerechtigkeit und -sicherheit
  • Innovationen in Digitalisierung und Tuberkulosebekämpfung
  • Nachhaltige Gesundheit für uns Menschen und unseren Planet
  • Erneutes Engagement für die allgemeine Gesundheitsversorgung (kurz UHC für „Universal Health Coverage“)

Der letzte Punkt ist heute besonders relevant, weil sich durch die Pandemie die Verteilung von Gesundheitsressourcen vor allem in Ländern niedrigen Einkommens verschlechtert hat und der Zugang zu wichtigen Gesundheitsstrukturen dadurch verloren gegangen ist. Nicht zuletzt deshalb appellierten der Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach und viele Expert*innen auf dem Gebiet der Pandemie-und Systemforschung an die Zuhörenden gemeinsam einen internationalen Pandemie-Vertrag aufzusetzen, um im Hinblick auf zukünftigen Pandemien besser vorbereitet zu sein.

Meine persönlichen Highlights waren die Themen Mentale Gesundheit und Prävention

Die beiden Panel „Mental Health for All“ und „Healthy Living and Prevention“ interessierten mich besonders. Warum? Diese beiden Themen sind im aktuellen deutschen Diskurs eher vernachlässigt. Dafür sind sie gerade für junge Menschen relevant, denn einerseits manifestieren sich psychische Erkrankungen vor allem in jungen Jahren [1] und wird andererseits Prävention immer wichtiger im Kontext steigender Gesundheitskosten immer wichtiger [2]. Umso spannender fand ich, dass die EU-Initiative eine Initiative angestoßen hat „Healthier together“, die sich bis 2027 genau diesen beiden Themen widmen möchte. Für die Prävention nicht übertragbarer Erkrankungen (non communicable diseases, kurz NCDs) wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und psychische Erkrankungen sollen aus den einzelnen Ländern funktionierende Interventionsbeispiele gefunden werden die dann in einem zweiten Schritt von weiteren Ländern der EU ebenfalls umgesetzt werden können. Damit profitieren die Mitgliedstaaten von den Erfahrungen untereinander und gelangen schneller zum Ziel.

Jugendliches Engagement sollte in internationalen Entscheidungsfragen noch mehr stattfinden.

Neben den inhaltlichen Aspekten war die Interessenvertretung als Jugenddelegierter eine spannende Erfahrung. Das YSP fördert aktives Youth Engagement (siehe auch Box) auf dem WHS. Wobei es hierbei geht, möchte ich zum Abschluss kurz ausführen:

Youth Engagement geht für die/den Einzelne*n über eine Gesprächsteilnahme als die „Quotenjunge Person“ hinaus (was auch Tokenism genannt wird). Sie meint, das junge Menschen aktive und gleichwertig in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Status quo werden immer noch viele der Gesundheitsthemen, die gerade junge Leute betreffen ohne wesentliche Einbeziehung junger Menschen diskutiert. Das liegt vor allem daran, dass wenig Anstrengung unternommen wird, die Lebensrealität junger Menschen zu erfassen und einzubeziehen. Zu dieser gehören schon heute gesundheitliche und strukturelle Folgen des Klimawandels, ein größerer Fokus auf psychische Gesundheit und die Digitalisierung.

Aus Unwissenheit werden in der Folge oft Entscheidungen zum Nachteil junger Menschen getroffen, wie es auch in der Covid-19 Pandemie passiert ist [3]. Nicht zuletzt deshalb bestand von Seiten des YSP und anderer Jugenddelegationen wie von EMSA und IFMSA ein großer Schwerpunkt ihrer Advocacy darin, unsere Lebensrealität durch gezielte Fragen in den Global Health Diskurs des WHS einzubringen und auf diesen Missstand hinzuweisen. Abseits der WHS gibt es bereits gute Ansätze für ein erfolgreiches und langfristiges Youth Engagement, wie den Youth Council der WHO, ein beratendes Gremium des WHO-Generaldirektors und der Führungsebene der WHO. Nichtsdestotrotz wird es auch in den Folgejahren aktive junge Menschen brauchen, die sich nicht nur bei diesen Möglichkeiten einbringen, sondern auch aktiv an deren Weiterentwicklung arbeiten.

Was bleibt?

Zusammenfassend war sowohl das YSP als auch der WHS eine unfassbar intensive, lehrreiche und schöne Zeit. Würde ich es weiter empfehlen? Auf jeden Fall! Beide Veranstaltungen stärken meiner Meinung nach das Selbstverständnis junger Menschen in der internationalen Gesundheitspolitik, geben Einblicke in die „großen Zusammenhängen“ und helfen erste Schritte zu gehen und Kompetenzen zu erlangen. Für mich ist das ebenso eine Erkenntnis wie der gelebte Eindruck, zusammen für eine Sache einstehen zu können, die ich aus dieser Zeit mitnehme. Am Ende bleiben Inspiration, Motivation und Selbstwirksamkeit.

Vielen Dank fürs Lesen!


Wen das Ganze jetzt neugierig gemacht hat, der kann sich gerne bei uns melden gandhi@bvmd.de. Über Fragen und Diskussionenanregungen freuen wir uns sehr!

Geschrieben von Markus Schirmer, Medizinstudent in Hannover.


Quellen:

[1] https://www.nature.com/articles/s41380-023-02202-z

[2] https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61804/gesundheitsausgaben/

[3] https://www.aerzteblatt.de/archiv/228776/Coronapandemie-Solidaritaet-und-Gerechtigkeit-fuer-junge-Menschen