Beraterin in verschiedenen Organisationen im Bereich Global Health
Auslandsaufenthalte: USA, UK, Dänemark, Russland, Zentralasien, Kaukasus, Baltikum, Rwanda, Ghana, Burkina Faso, Yemen
Wie würden Sie sich in drei Worten beschreiben?
Neugierig. Meistens froh und fleißig. Ich arbeite gerne, sagen wir so!
Was haben Sie sich als Student*in vorgestellt, was Sie später machen werden/ wie Sie später arbeiten werden?
Durch ein Stipendium habe ich die letzten zwei Jahre des Abiturs in Wales verbracht, wo wir eine internationale Gemeinschaft waren- das hat mich sehr mitgeprägt. Schon als Jugendliche wollte ich Ärztin zu werden. Kurz vor dem Abitur habe ich mich jedoch entschlossen, stattdessen Psychologie zu studieren, da ich gut mit Menschen umgehen und mich in deren Probleme hineinversetzen kann. Im Psychologiestudium fehlte mir jedoch das Biologische und Naturwissenschaftliche. Während der psychologischen Praktika in der Psychiatrie und in psychosomatischen Abteilungen habe ich dann gemerkt, dass bei allen Fällen, bei denen es im Krankenhaus Entscheidungen zu treffen gab, immer die Ärzt*innen das letzte Wort hatten, auch wenn die Psychologen genauso oder näher an den Patient*innen waren.
Aus diesen Gründen habe ich im zweiten Teil des Psychologiestudiums zusätzlich mit dem Medizinstudium angefangen- mit dem Gedanken, dass ich auch weiterhin psychosomatisch arbeiten wollte. Parallel hat mich aber auch die Entwicklungshilfe interessiert.
Wie lässt sich Ihre Tätigkeit beschreiben? Wie war Ihr Werdegang?
Nach dem Medizinstudium habe ich in der Rheumatologie promoviert und dann angefangen, in der Inneren Medizin zu arbeiten. Davor war ich drei Monate in den USA, am Massachusetts General Hospital. Das war eine sehr spannende Zeit!
Anschließend bin ich an die Deutsche Klinik für Diagnostik (DKD) in Wiesbaden gegangen, mit vielen Kolleg*innen, von denen die meisten internationale Erfahrung hatten. In der Klinik, die nach dem Model der Mayoklinik in Rochester organisiert war, herrschte echter Pioniergeist und wir hatten richtig viel Zeit für unsere Patient*innen.
Nachdem ich dort drei Jahre war, bin ich meinem Traum gefolgt, mehr international zu arbeiten und habe 1998 ein Stipendium für Tropenmedizin an der London School of Hygiene and Tropical Medicine bekommen. Ich hatte die Vorstellung, dass ich als klinische Ärztin nach Afrika gehe und hatte deswegen gleichzeitig Kurse am Afrika-Center für soziale und wirtschaftliche Entwicklung belegt. Schließlich habe ich in der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, heute GIZ ) als Projektkoordinatorin angefangen. Dort war ich zuständig für ein reines Public Health Projekt, bei dem es darum ging, die besten Interventionen im Basisgesundheitswesen, insbesondere in Bezug auf Mutter-Kind Gesundheit zu finden, die mit wenig Geld viel bewegen können. So kam ich zur reproduktiven Gesundheit und habe damals das erste Konzeptpapier hierzu für die Bundesregierung mitgeschrieben!
Danach ging ich nach London zurück und habe für die International Planned Parenthood Federation (IPPF) an einem Gesundheitsprojekt, an dem auch die WHO beteiligt war, in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gearbeitet. Ich übernahm dann die Regionalberaterstelle in der Abteilung Mutter-Kind und Jugendlichen-Gesundheit in dem Europäischen Regionalbüro der WHO, und wir zogen deshalb nach Dänemark, weil sich dort die Europäische Zentrale der WHO befindet. Dort blieb ich neun Jahre und ging danach, jetzt als Abteilungsleiterin für Gesundheit, Bildung, und Soziale Sicherheit zur GTZ zurück.
2006 zogen wir nach Dänemark zurück und dort arbeitete ich sowohl weiterhin als Beraterin in der Entwicklungszusammenarbeit und für WHO und GFATM sowie das Dänische Zentrum für Gesundheit und Entwicklung. Weiterhin war ich auch klinisch an verschiedenen Krankenhäusern tätig– unter anderem auch in Grönland.
In den letzten zwei Jahren war ich wieder als Beraterin für die WHO tätig und ging der Frage nach, wie weit Länder in Zentralasien in der Implementierung der Gesundheits- SDGs nachgekommen sind.
In der Corona-Pandemie war ich auch einige Monate wieder klinisch tätig. Die klinische Arbeit und die sehr gute klinische Ausbildung hat mir immer geholfen, die Arbeit in der Globalen Gesundheit zu verstehen- ich kannte die Organisation von Krankenhäusern und die Arbeitsabläufe der Pflegenden und Ärzt*innen von innen – das schafft eine Vertrauensbasis, wenn man Kollegen oder auch Gesundheitsministerien im Ausland berät.
Was schätzen Sie am meisten an Ihrer Arbeit? Worauf könnten Sie verzichten?
Ich schätze die Vielfalt der Dinge, der Probleme, denen man begegnet. Das Besondere an der Internationalen Arbeit ist das Kennenlernen von anderen Kulturen und anderen Menschen, Sprachen, Lebensweisen, Philosophien und auch der gegenseitige Respekt, der mit dieser Arbeit verbunden ist. Vor allem, wenn ich sehe, was für Vorurteile, Rassismus und Diskriminierung zwischen Ländern und Menschen bestehen, denke ich daran, dass durch das gegenseitige Kennenlernen und Besprechen viele Probleme gelöst werden könnten.
Es gibt aber auch immer Dinge, über die man vielleicht nicht so gluecklich ist. In der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit geht es ja nicht nur um das Fachliche, also die gesundheitsfachlich-besten Lösungen, sondern auch die politischen- und die diplomatisch-möglichen Lösungen. Da muss man sehr vorsichtig sein- und auch geduldig. Es dauert manchmal lange, bis man Erfolge sieht, und diese koennen dann durch Wirtschaftskrisen oder Kriege sehr schnell wieder zerstoert werden. Das muss man in Kauf nehmen koennen und dann wieder von vorne anfangen..
Welche Herausforderungen mussten Sie sich in Ihrem beruflichen oder persönlichen Leben stellen? Wie haben sie diese überwunden?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war immer eine Herausforderung! Da sind mir zwei Dinge zugute bekommen: Ich habe meine beiden Kinder ziemlich spät bekommen, wodurch ich beruflich schon einiges erreicht hatte, als ich Mutter wurde. Da ich zu dieser Zeit in Dänemark war, hatte ich das Glück, dass das Versorgungssystem für Kinder ausgezeichnet war. Das Reisen war trotzdem eine Herausforderung, meine Kinder habe ich oft mitgenommen, solange sie noch nicht in der Schule waren. Vor Ort habe ich mir Hilfe für die Kinder organisiert oder meine Mutter mitgenommen, und ich habe die Kinderbetreuung auch mit meinem Mann geteilt.
Die Herausforderung wuchs, als die Kinder in der Schule waren, da ich die Abwesenheiten decken musste- das wurde dann mit der Zeit sehr belastend für die Familie, da mein Mann als Journalist auch sehr viel unterwegs war.
Deswegen habe ich mich damals entschlossen, in einer Klinik auf Bornholm zu arbeiten, bei der ich klinisch tätig sein konnte und gleichzeitig vom Krankenhaus aus kürzere Einsätze für internationale Organisationen machen konnte. Zudem hatte ich eine Teilzeitaufgabe an der Uni-Kopenhagen, bei der es um die Kontrolle von vernachlässigte Tropenkrankheiten ging.
Welchen Stellenwert hatte globale Gesundheit bei Ihnen in der Ausbildung?
Bei mir war es ganz anders als heute- es hat sich wirklich, wirklich geändert. Als ich damals studiert habe, gab es diesen Ausdruck noch gar nicht! Als ich während des Studiums für eine Zeit in Ghana war, erkrankte ich an Malaria, an einer Form, die immer wieder kommt. Zwei Jahr später, als ich wieder hier war, hatte ich einen Fieberanfall. Ich wusste, dass es Malaria war, es wurde aber – obwohl ich in der Uniklinik war- anfangs nicht ernst genommen. Das Wissen war damals nicht vorhanden!
Welchen Stellenwert sollte Globale Gesundheit in der Ausbildung angehender Mediziner*innen einnehmen? Welche Bedeutung schreiben Sie dem Thema auch in Zukunft zu?
Globale Gesundheit sollte ein Teil des Curriculums werden. Wir wissen heute als globale Gemeinschaft so viel mehr, als wir damals wussten. Alle Ärzt*innen, auch die, die in Deutschland bleiben, werden durch die Migrations- und Flüchtlingssituation überall mit Fragen der globalen Gesundheit konfrontiert.
Man muss hier auch Krankheiten mitdenken, die nicht so häufig sind.
Die Welt ist heute so stark verbunden, dass man sich nicht mehr leisten kann, Mediziner*innen nicht in globaler Gesundheit auszubilden. Alle müssen damit Berührung gehabt haben! Auch klinisch muss man Krankheiten mitdenken, die in Deutschland oder Europa nicht so häufig sind.
An welchen Vorbildern orientieren Sie sich? Haben Sie Ihre Wertvorstellung im Laufe der Jahre verändert?
Wenn ich zurückdenke, waren es die ersten Lehrer*innen, die ich gehabt habe- Menschen aus der Schulzeit, die mich sehr motiviert haben, die mir neue Perspektiven gegeben haben. Ich hatte einen tollen Biologielehrer, eine tolle Deutschlehrerin, einen tollen Soziologielehrer, der eigentlich evangelischer Priester war- der hat die ganze Entwicklungspolitik-Problematik so beleuchtet, dass man sie als Schüler verstehen konnte. Das sind Leute, die mich wirklich beeinflusst haben. Ich hatte an der DKD tolle klinische Mentoren in der inneren Medizin. Später, als ich in der Ausbildung in der Tropenmedizin an der London School of Hygiene and Tropical Medicine war, hatte ich Professor*innen, die gleichzeitig klinisch und systemisch gedacht haben, das hat mich sehr beeinflusst.
Ich hatte dann das große Glück, dass, als ich bei der International Planned Parenthood Orgnisation (IPPF)arbeitete, Dr. Halfdan Mahler Generalsekretär war- er war vorher 15 Jahre lang Generalsekretär der WHO. Er hatte keine Angst zu sagen, was er für richtig hielt und er hatte ein Charisma, sodass er Leute mitreißen konnte- er war eines meiner großen Vorbilder.
Bei IPPF hatte ich auch eine großartige Direktorin- Lynn Thomas- die eine sehr globale Entwicklungsperspektive in all ihrer Arbeit hatte und eine sehr große Fähigkeit, zuzuhören und Probleme zu erkennen. Das war ein Mensch, für den Hierarchien keine Rolle gespielt haben- das ist gerade in der Medizin wichtig, wo ein oft hierarchisch organisiertes Berufsklima herrscht, da war es befreiend, mit jemandem zu arbeiten, der diese Notwendigkeit nicht sah.
Auch mein GTZ Chef Prof. Rolf Korte, dessen Nachfolgerin ich nach seiner Pensionierung wurde, war eine Inspiration in seiner Fähhigkeit, nach vorne zu denken, und Gesundheit als etwas zu sehen, für das nicht nur der Gesundheitssektor zuständig war.
Ich glaube, ich hatte das große Glück, mit vielen inspirierenden Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten – von Prof. Ilona Kickbusch habe ich gelernt, mehr auf die Zusammenhänge zwischen Politik und Gesundheit und zwischen Gendergleichstellung und Gesundheit zu achten. Von dem ehemaligen Gesundheitsminister von Tajikistan, Kinderarzt Dr. Nasrulloh Abdujabarov habe ich gelernt, wie man Gesundheitsreformen systematisch in einem Land ausrollen kann, und das man immer groß träumen muss. Von meinem Kollegen und Mutterschaftsvertreter Dr. Joseph Kasonde, späterer Gesundheitsminister von Zambia habe ich gelernt, dass man durchaus Forschung und wissenschaftliches Vorgehen mit politischen Gesundheitsreformen und Entscheidungen vereinbaren kann und sollte, und so kann ich noch viele andere wunderbare Kollegen nennen, mit denen mein Berufsleben mich in Berührung gebracht hat. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wenn Sie zurückblicken, gibt es etwas, was Sie anders gemacht hätten?
Als ich anfing davon zu träumen, international zu arbeiten- vielleicht mal bei der WHO-hatte immer das Bild: Ich bin dafür noch nicht gut genug, ich muss immer noch das machen und das machen und das machen, bevor ich mich überhaupt mal dort bewerben kann. Und im Nachhinein bin ich dann dahin gekommen- auf ganz anderen Wegen, aber das hätte vielleicht auch früher passieren können, wenn ich mehr Mut gehabt hätte. Das möchte ich den jungen Leuten und Studierenden mitgeben: wenn man Lust hat und etwas machen will, dann sollte man das auch tun und nicht denken ´Das kann ich nicht!´ .
Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man abgelehnt wird oder das jemand sagt: „Kommen Sie in 3 Jahren wieder!“- mehr nicht. Aber was positiv passieren kann, ist, dass man diesen Arbeitsbereich kennenlernt und dass Menschen einen kennenlernen und dass man selbst definieren kann, wo man arbeiten möchte.
Welche Ratschläge haben Sie für Studierende, die sich in diesem Bereich engagieren möchten?
Ich habe in den letzten Jahren viel mit jungen Kolleg*innen zusammengearbeitet. Oft sind sie an einem Wendepunkt, an dem man entscheiden muss, in welche Richtung es geht. Wenn man gerade aus dem Studium kommt und dann gleich in die Internationale Gesundheit oder Globale Arbeit gehen will, dann rate ich immer dazu, trotzdem noch klinisch zu arbeiten, um eine gute Grundlage haben. Man wird immer in der Globalen Gesundheit mit Fragen konfrontiert werden, die die Klinik betreffen- die kann man nicht beantworten, wenn man selbst nie diese Erfahrungen gemacht hat. Und es ist sehr schwer, wenn man einmal aus der klinischen Arbeit weggegangen ist, den Weg in die klinische Arbeit wieder zu gehen. Deswegen finde ich es besser, wenn man die Möglichkeit hat, erstmal einen Facharzt zu machen- es sei denn, man ist ganz klar mehr ein organisationsfachlicher Mensch.
Und noch ein zweiter Rat: man muss wissen, dass alles, was man in globaler Gesundheit macht, nicht sofort einen Effekt hat. Es kann Jahre dauern, bis das, was man macht, irgendeine Wirkung hat. Man muss riskieren können, diese Wirkung nie zu sehen. Das ist ganz anders, wenn man mit Patient*innen arbeitet, dann sieht man sofort die Veränderung. Das hat man im Öffentlichen Gesundheitswesen nicht in der gleichen Weise. Da muss man eine bestimmte Frustrationstoleranz entwickeln.
Wenn man Ihnen ein bezahltes freies Jahr schenken würde, was würden Sie tun?
Ich würde weitgehend dasselbe tun, was ich jetzt mache. Gerade in der jetzigen Situation, in dieser Pandemie, gibt es so unglaublich viel zu tun. Und wenn dies nicht so wäre, dann würde ich mir wahrscheinlich die Zeit nehmen, meine bisherigen Erfahrungen für andere festzuhalten und aufzuschreiben. Und vielleicht malen oder einen Segelkurs machen…